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Nudging – kleine Stupser statt Verbote

Viel Wasser trinken, Vollkornprodukte wählen, täglich Obst und Gemüse essen und dafür seltener Fleisch. Die Theorie einer ausgewogenen Ernährung ist bekannt. Aber vom Wissen zum Tun ist es manchmal nicht so einfach. Der innere Schweinehund braucht ab und zu einen kleinen Schubs. Nudging nennen das Experten.

Was ist Nudging?

Ein Nudge, auch choice architecture genannt, ist definiert als sanftes Anstupsen. Das Ernährungsverhalten soll dabei in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Dabei werden vor allem Automatismen angesprochen. Nudging kann helfen, Menschen dazu zu bewegen, die für sie bessere Wahl zu treffen.

Solche Nudges sind kleine Denkhilfen im Alltag. Sie bestehen aus überzeugenden und vergleichenden Informationen sowie wirkungsvollen Anreizen. Die bessere Wahl soll die einfachere sein. Zwang, Verbote und Bevormundung sind dabei tabu.

Nudging – ein Beispiel

Das Ziel: Mehr Menschen sollen das vegetarische Gericht wählen. Würde nur das vegetarische Gericht angeboten, müssten die Gäste es essen. Genau dieser Zwang möchte man beim Nudging nicht. Es gibt also ein Gericht mit Fleisch und eines ohne. Aber das vegetarische Gericht wird besser und leichter zugänglich präsentiert als das Fleischgericht. So können die Menschen selbst entscheiden. Es ist aber einfacher, zum vegetarischen Essen zu greifen.

Wie funktioniert Nudging?

Die Entscheidung für ein Angebot fällt leichter, je attraktiver es gegenüber einem anderen ist. Zum Beispiel weil es weniger kostet, ansprechender angerichtet oder leichter zugänglich ist. Hier setzt Nudging an.

Damit Gäste mehr Wasser trinken, kann es an Trinkwasserstationen kostenfrei angeboten werden. Aufkleber in Form von Wassertropfen können den Weg weisen. Wasserflaschen können in Augenhöhe und in auffälliger Menge an verschiedenen Stationen präsentiert werden. Farbenfrohe Trinkbecher wecken zusätzlich Aufmerksamkeit.

Damit mehr Gemüse gegessen wird, können Gerichte mit hohem Gemüseanteil oben auf dem Speiseplan stehen und mit grüner Kennzeichnung hervorgehoben werden. Gezielte Beleuchtung und grüne Klebebanderolen markieren das ausgewogenere Angebot. Das Auge isst mit: attraktives Geschirr, auffällige Servietten oder Tabletts können den Griff zum Gericht mit reichlich Gemüse erleichtern. Auch lustige Aufkleber oder Sprüche. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Gesundes nach vorne

Was gut präsentiert in erster Reihe steht, wird mehr beachtet. Geschmackvoll vorportionierte Salate, große Obstkörben und Etageren, Vollkorn-Probierhäppchen vorne positionieren – all das erleichtert den Griff zu den erwünschten Speisen. Auch ein Stempelbonussystem für die bessere Wahl oder ansprechende Bilder im Essensraum können die Gäste in die richtige Richtung stupsen.

Steht die bessere Wahl vorne, rücken die weniger erwünschten Produkte in der Auslage fast automatisch nach hinten. Sie können auch in Schubladen verstaut und auf Nachfrage ausgegeben werden. Wird die Präsentationsfläche abgeklebt, fallen die entsprechenden Produkte weniger ins Auge.

Wie wird Nudging langfristig erfolgreich?

Übergeordnet organisiert können Nudges als ganzes Programm aufgesetzt sein, um bestimmte erwünschte Verhaltensänderungen zu erzielen. Um damit langfristig erfolgreich zu sein, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten. In der Schule sind das zum Beispiel Schulleitung, Lehrerkollegium, Schülerschaft, Eltern, Schulträger und der Speisenanbieter mit seinem Küchenteam. Die Maßnahmen sollten gut im täglichen Arbeitsablauf umsetzbar sein. Wichtig: Es muss auch damit gerechnet werden, dass es durch eine veränderte Präsentation der Speisen zu einer Verschiebung des Umsatzes kommt.

Die Ausgabesituation sollte regelmäßig aus dem Blick des Gastes betrachtet werden. Wenn auffällt, dass etwas nicht gut läuft, sollten die Nudges angepasst werden.

Funktioniert Nudging?

Sollten Mensen und Kantinen umdenken? Wie praxistauglich sind Nudges im Verpflegungsalltag? Wie effektiv sind solche Maßnahmen langfristig? Das einjährige Modellprojekt „Smarter Lunchrooms“, an dem unter anderem das Bayerische Kompetenzzentrum für Ernährung (Kern) beteiligt war, brachte dazu spannende Ergebnisse.

In dem Praxistest mit einer Schulmensa und einer Hochschulmensa im Münchener Raum wurden Nudging-Ansätze kontrolliert eingesetzt. Sie basieren auf Erkenntnissen der Verhaltensökonomie im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung. Die kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Auswirkungen auf die Speisenauswahl der Essensgäste wurden anhand der Verkaufszahlen analysiert.

Laut der Studie konnte eine gesundheitsfördernde Speisenauswahl beobachtet werden. Die Ergebnisbroschüren geben hilfreiche Tipps für einfach und kostengünstig umsetzbare sowie wirkungsvolle Interventionen:

In einer weiteren Broschüre sind Praxistipps und Anregungen für Kantinen zusammengestellt: Impulse für die Essenswahl – Handlungsempfehlungen für die Betriebsgastronomie (PDF)

Im Projekt Start Low der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wurden Beispiele für Nudges in der Kita (PDF) zusammengetragen.

Nudging für zu Hause

Nudging funktioniert auch zu Hause im Familienalltag. Sie werden überrascht sein, wie selbstverständlich die bessere Wahl fallen wird.

  • Bieten Sie Ihren Liebsten zu jeder Mahlzeit aufgeschnittenes Obst, leckere Gemüse-Spieße oder Sticks mit Dip an.
  • Stellen Sie einen frei zugänglichen Obstkorb auf.
  • Lagern Sie Chips und Süßes nicht sichtbar und schwerer zugänglich in Schränken.
  • Stellen Sie Wasserkaraffen mit Zitronenscheiben und Kräutern sowie bunte Becher auf den Tisch.
  • Schreiben Sie Vollkornprodukte ganz oben auf Ihren Einkaufszettel.
  • Erfinden Sie für die Kinder lustige Namen für ausgewogene Gerichte wie Bunte Schatzkiste statt Gemüseauflauf.

Autorin: Kati Voss, bearbeitet Annabel Wolpensinger

Wo 06/2024

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