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Gemeinschaftsverpflegung: große gesellschaftliche Verantwortung

Eine Frau und zwei Männer stehen an der Ausgabetheke einer Betriebskantine

Rund 16,5 Millionen Essen gaben Gemeinschaftsküchen in Deutschland 2018 täglich aus. Diese Größenordnung macht deutlich: Wer im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung für Menüplanung und Essenszubereitung zuständig ist, nimmt Einfluss auf Wohlbefinden und Essverhalten sehr vieler Menschen. 

Unser tägliches Brot

Anders als ein exklusives Restaurant besuchen viele Menschen „ihre“ Kantine, „ihre“ Mensa oder „ihren“ Speisesaal fast jeden Mittag – und dies oft über Jahre. In Internaten, Krankenhäusern, Behindertenwohnheimen, Reha- und Pflegeeinrichtungen erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner sogar alle Mahlzeiten aus der Großküche. Daraus ergibt sich für die Akteurinnen und Akteure der Gemeinschaftsverpflegung ein breites Verantwortungs- und Aufgabenspektrum:

  • Gesundheitsförderung
    Idealerweise ist das angebotene Essen ausgewogen. Es hält die Menschen fit und leistungsfähig oder trägt gegebenenfalls zur Genesung bei.
  • Genuss und Lebensfreude
    Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme. Eine ansprechend und liebevoll hergerichtete Mahlzeit, die lecker schmeckt, macht die Essensaufnahme auch im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung zum Genusserlebnis. Für viele Menschen ist sie ein Highlight des Tages, auf das sie sich freuen können. Andere nehmen gute Anregungen für ihre Kochpraxis zu Hause mit.
  • Pädagogik
    Besonders in Bildungseinrichtungen – aber nicht nur dort – hat Gemeinschaftsverpflegung auch eine pädagogische Verantwortung: Sie kann dazu beitragen, dass Tischgäste gesundheitsfördernde und nachhaltige Ernährungsgewohnheiten annehmen, ihre Sensorik (Optik, Haptik, Geruch, Konsistenz) schulen und Lust aufs Probieren sowie auf neue Geschmacks­erlebnisse bekommen.
  • Soziale Gemeinschaft
    Das Ambiente, in dem Menschen das Essen zu sich nehmen, trägt idealerweise zu einer ruhigen, stressfreien Atmosphäre bei, fördert das Gemeinschaftserleben und eine positive Tischkultur. Ein weiterer sozialer Aspekt: Die Tischgäste sollten die Möglichkeit erhalten, der Küche Feedback zu geben und eigene Ideen einzubringen.
  • Nachhaltigkeit
    Die Gemeinschaftsverpflegung ist ein Großabnehmer von Nahrungsmitteln und kann mit ihrem Einkaufsverhalten und ihrer Menüplanung einen spürbaren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz leisten: Der Einkauf legt dann den Fokus auf ökologisch angebaute, regionale und verpackungsfreie bzw. -arme Produkte. Die Menüplanung setzt unter Nachhaltigkeits­aspekten ungünstige Lebensmittel (z.B. Fleisch, Importwaren) seltener oder gar nicht ein, wählt stattdessen Gerichte mit pflanzlichen sowie regionalen und saisonalen Zutaten und minimiert Lebensmittelverschwendung durch eine geschickte Speisenfolge und eine genaue Mengenplanung.

Verhältnisprävention und Verhaltensprävention gehören zusammen

Indem die Gemeinschaftsverpflegung die oben aufgeführten Aspekte berücksichtigt, betreibt sie „Verhältnisprävention“. Das heißt, sie bietet Rahmenbedingungen, die ein gesundheitförderndes Verhalten unterstützen. Doch die Tischgäste müssen mitziehen, damit es Wirkung zeigt. Denn selbst wenn das Angebot vorbildlich ist, können sie sich eher ungesunde Nahrungsmittel auswählen oder zu viel zu sich nehmen. Verhaltens- und Verhältnisprävention gehören daher zusammen.

Gesundheitsbewusstes Verhalten anstoßen

Viele Kantinen und Mensen geben ihren Gästen daher inzwischen Impulse, um sie zu einer gesundheitsfördernden Speisenauswahl zu bewegen, zum Beispiel indem sie Salate besonders ansprechend dekorieren und prominent präsentieren und weniger zuträgliche Speisen eher im Hintergrund halten. Nudging (engl. stupsen) nennen Fachleute aus der Verhaltensökonomie diese Art, erwünschtes Verhalten zu begünstigen und unerwünschtes weniger wahrscheinlich zu machen.

Ernährungsverhalten ist „ansteckend“

In einer Studie zur Speisenauswahl in der Kantine fanden Wissenschaftler heraus, dass sich Angestellte stark an ihren Kolleginnen und Kollegen orientieren. Die Wahl der Lebensmittel sei regelrecht „ansteckend“, sagt der Studienleiter. Er regt Organisationen daher an, besonders beliebte und gut vernetzte Beschäftigte ins Boot zu holen und sie als Rollenmodelle für ein gutes Essverhalten einzusetzen.

Autorin: Eike Ostendorf-Servissoglou


Quellen:

Wo 05/2021

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