
Auf dem Weg zu gutem Essen in Klinik und Senioreneinrichtungen
Essen trägt maßgeblich zu unserem Wohlbefinden bei und oft gerade dann, wenn der Körper streikt. Wie im Einzelnen die Therapie im Krankenhaus verlief, daran können sich viele nach längerer Zeit gar nicht mehr im Detail erinnern, wohl aber ob das Essen gut oder schlecht geschmeckt hat.
Der Fachtag des Landeszentrums für Ernährung Baden-Württemberg am 18.02.2019 in Stuttgart drehte sich genau um das Thema,
nämlich „Gutes Essen in Klinik & Heim“. Eine frische und vollwertige Verpflegung, das erkennen inzwischen die
Träger sowie Klinik- und Heimleitungen, kann das Image ihres Hauses nachhaltig aufwerten. Doch was zeichnet eine vollwertige
Ernährung aus? Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) ist sie bedarfsgerecht und gesunderhaltend. Die DGE
verleiht Zertifikate für die Gemeinschaftsverpflegung und nicht nur Kitas und
Schulen können sich zertifizieren lassen, auch Kliniken, Senioreneinrichtungen und Mobile Menüdienste
("Essen auf Rädern") haben dazu die Möglichkeit.
Anspruchsvoll: Umstellung auf Vollkorn und Reduktion von Fleisch
Eine Senioreneinrichtung im Ortenaukreis ist den Weg zur DGE-Zertifizierung im Rahmen des Pilotprojekts „Große Küche – Gutes
Essen“ gegangen. Die Küche hat nicht nur die Zertifizierung
„Fit im Alter“ erhalten, sondern auch das Bio-Zertifikat erworben.
400 Essen bereiten die Küchenleiterin und ihr zwölfköpfiges Team jeden Tag zu und sie ist der Meinung, dass sich die
Zertifizierung absolut gelohnt hat. Nicht nur, weil es den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Gästen schmeckt, auch der Kontakt zum
Pflegepersonal sei viel besser geworden, dazu die gesamte Kommunikation im Team und die Wertschätzung der Leitung gegenüber der
Küche. Am anspruchsvollsten sei die Umsetzung der Anforderungen bezüglich Vollkornprodukten gewesen. Innerhalb von einer Woche
müssen 14 Getreideportionen aus Vollkorn bestehen. „Da hilft nur vermauscheln“, erklärt die Küchenleiterin.
„Wir haben Vollkorn-Müsli und backen Kuchen und die Pfannkuchen mit Vollkornmehl. Das klappt wunderbar.“
Mit Feingefühl vorgehen
Man müsse bei den älteren Personengruppen grundsätzlich mit Feingefühl ans Werk gehen, so die Erfahrung aus dem
Pilotprojekt. Die DGE empfiehlt beispielsweise lediglich 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. „Unsere Bewohner haben aber
gesagt, sie ziehen aus, wenn man ihnen das Fleisch wegnimmt.“ Und so schaffte es die pragmatische Küchenchefin, den Wert nicht
zu überschreiten, indem sie die Fleischportionen auf 50 Gramm reduzierte. Seitdem wird der Fleischteig für Hackbraten mit
Kichererbsen- und Linsenmehl gemischt oder auch mit Gemüsestückchen und Käse. Auch ins Gulasch kommen Karotten- oder
Selleriewürfelchen, sodass die kleinere Fleischmenge den Bewohner*innen gar nicht auffällt. Für die Bewohnerinnen und
Bewohner, die Probleme beim Schlucken von fester Nahrung haben, werden in der Küche des Altenpflegeheims mithilfe von
Hochleistungsblendern Pürees und daraus Fingerfood zubereitet. Dieses sogenannte Smoothfood orientiert sich an der normalen
Menülinie.
Essen und Trinken zum Wohlfühlen
„Früher haben Patienten mit Kau- und Schluckbeschwerden hauptsächlich Grießbrei bekommen, Apfelmus und
Kartoffelpüree“, macht Verena Frick vom Klinikum Stuttgart deutlich. Ihr Ernährungsteam bekam jedoch die Chance, sich
weiterzubilden und benutzt seitdem für die Herstellung von Smoothfood wie Fischfarce und aufgeschäumten Beilagen unter anderem
Espuma-Flaschen, wie man sie aus der Sterneküche kennt. Die Patient*innen nehmen es gut an, was sehr wichtig ist, da
Mangelernährung in Akut-Geriatrie-Einrichtungen mit Raten von bis zu 50 Prozent allgegenwärtig ist. Studien zeigen zudem, dass
durch eine angenehme Atmosphäre beim Essen sowie die Vermeidung von Störungen wie Visiten oder das Putzen der Zimmer zu einer
ernährungsfördernden Gestaltung der Ess-Situation beigetragen werden kann. Denn nicht nur die Qualität muss stimmen, sondern
auch das Ambiente. Das Essen für die kranke Person, die Seniorinnen und Senioren, am besten in Gemeinschaft genossen, wird somit zu
einer wertvollen Erfahrung, sowohl für den Körper als auch die Seele.
Reden hilft
Bei einer DGE-Zertifizierung ist neben dem Essen und Trinken die Kommunikation ein wesentlicher Punkt. Hieraus ergeben sich viele
positive Effekte wie:
- die Wichtigkeit des Essens und die Rolle der Küche rücken in den Fokus,
- alle Beteiligten kommen ins Gespräch,
- der Kontakt und der Küche zu den übrigen Abteilungen wird gestärkt und
- durch den Austausch von Erfahrungen der Einrichtungen untereinander profitieren alle.
Das Landeszentrum für Ernährung unterstützte im Rahmen des Modellprojekts „Gutes Essen in der Klinik“ fünf Krankenhäuser auf dem Weg zum
DGE-Zertifikat „Station Ernährung“. Die Ergebnisse des Modellprojekts finden sich
in der Ergebnisbroschüre
„Gutes Essen in der Reha und in der Klinik”.
Das Modellprojekt „Gutes Essen in der Seniorenverpflegung“ bietet Senioreneinrichtungen und mobilen Menüdiensten ebenfalls die Möglichkeit zur Unterstützung bei der DGE-Zertifizierung. Hinzu kommt das Ziel, den Anteil an regionalen und Bio-Lebensmitteln im Menüplan zu erhöhen.
Autorin: Anja Fleischhauer akt. Joana Lehwald (21.09.2020)
Quellen:
- Fachtag "Gutes Essen in Klinik & Heim" am 18.02.2019 in Stuttgart
März 02/2019
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